Heute wird der Glaube ja gerne als etwas Beliebiges gesehen, etwas, was man so oder so halten kann. Die Reduzierung des Glaubens auf ein vages Gefühl gehört sicherlich zu den entscheidenden Tendenzen unserer Zeit.
Inhalte des Glaubens werden so zu Beliebigkeiten der psychischen Befindlichkeit des Glaubenden, als ob erst das glaubende Subjekt die Glaubensinhalte schafft – nach Bedürfnis und Laune.
Das Dogma von der wirklichen Gegenwart lehrt etwas anderes. Gott ist keine zwischenmenschliche Größe, und Gott ist auch in seiner unüberbietbaren Nähe zu uns nicht von uns und unseren Gefühlszuständen abhängig.
Die heilige Kommunion, das Sakrament des Altares, dient zur Speise. Diese Speise wird aufbewahrt, wird bereitgehalten, aber diese Speise wird nicht erst zur Speise dadurch, dass sie verzehrt wird. Eine Apfelsine z. B. wird ja auch nicht dadurch, dass ich sie aufesse, zur Apfelsine, sondern sie ist vorher Apfelsine, und sie ist es unabhängig von meinem Hunger und meinem Wunsch nach einer Apfelsine. Es geht um die objektive Realität der Gegenwart Gottes im Sakrament. Nicht erst durch mein Wollen, nicht erst durch meine Sehnsucht wird Gott gegenwärtig, sondern Gott ist unabhängig von dem, was der Mensch will, immer schon da. Die Dogmen unseres Glaubens sind wahr,unabhängig von der subjektiven Gefühlsbefindlichkeit des Menschen.
Die modernen Armeen kennen das Kommando „aufs Knie“ nicht mehr, aber wir sollten dieses Kommando wieder in unser Leben lassen. Wir sollten uns selbst zurufen: „Aufs Knie“; das ist nämlich die Haltung, in der die Welt gerettet wird. Die Beter vor dem Tabernakel, sie retten die Welt. Nicht die Sozialingenieure und Zuwachsratenfetischisten, sondern die Beter. Die Beter, die ihre Kraft empfangen durch das Heil aus dem Tabernakel.
Und ich wünsche Ihnen allen, daß in Ihrem Gewissen der Ruferschallt: „Aufs Knie!“.
Amen.
Aus:
Predigten aus St. Peter in München, Heft 2
Katholische Evergreens, sechs Fastenpredigten
Msgr. Dr. Wilhelm Imkamp
Wallfahrtsdirektor von Maria Vesperbild
München, 1993