Annette von Droste-Hülshoff – Am fünften Sonntage nach Ostern

„Aber solches habe ich zu Euch geredet,
damit, wenn die Stunde kömmt, Ihr daran
gedenket, daß ich es Euch gesagt habe.“
Erwacht! der Zeitenzeiger hat
Auf die Minute sich gestellt;
Dem rostigen Getriebe matt
Ein neues Rad ist zugesellt;
Die Glocke bebt, der Hammer fällt.

Die Glocke bebt, der Hammer fällt
Die Glocke bebt, der Hammer fällt

Wie den Soldaten auf der Wacht
Die Ronde schreckt aus dumpfer Ruh‘,
So durch gewitterschwüle Nacht
Ruft uns die Glockenstimme zu:
Wie nennst du dich? Wer bist denn du?

Und Mancher, der im langen Traum
Den eignen Namen fast verschlief,
Stieß nun von sich den schnöden Flaum
Und hastig die Parole rief,
So ernst die Glocke sprach und tief.

Wer möchte sich in solcher Zeit
Von deinem Heere schließen aus?
Was Lenz und Sonne hat zerstreut,
Das sucht im Sturme wohl sein Haus,
Nur Vagabunden bleiben draus.

Von der Zinne Rand
Von der Zinne Rand

Dem Kleinsten ward sein richtig Teil,
Umsonst hält Keiner seinen Stand.
Mag, was da hoch, zu Kraft und Heil
Uns leuchten von der Zinne Rand,
Doch nur die Masse schützt das Land.

Ist es ein schwacher Posten auch,
Auf den mich deine Hand gestellt:
So ward mir doch des Wortes Hauch,
Das furchtlos wandelt durch die Welt,
Ob draus es dunkelt oder hellt.

Tu‘ nur ein Jeder, was er kann,
Daß hülfreich stehe Schaft an Schaft;
Der Niedre schließe treulich an,
Der Hohe zeige seine Kraft:
Dann weiß ich wohl, wer Rettung schafft!

aus: Annette von Droste-Hülshoff – Das geistliche Jahr

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