Der Tag begann ganz normal. Kurz nach fünf ging ich noch einmal zur Toilette, schaltete das Licht ein, aber es blieb dunkel. Aha, dachte ich, die Röhre ist kaputt.
Im Wohnzimmer wurde ich stutzig. Der Monitor war dunkel, die Lichter des NAS-Speicher auch, es war alles ohne Strom. Aha, dachte ich wieder, die Energiewende hat voll zugeschlagen, kein Strom in Sommerrain, kein Strom irgendwo.
Pustekuchen. Die Treppenhausbeleuchtung machte das was sie im Dunkeln soll: Sie leuchtete hell. Nun wurde die Angelegenheit kompliziert. Im Sicherungskasten war die euphemistisch genannte Hauptsicherung, eigentlich nur eine flinke Feuchtraumsicherung, herausgesprungen. Sicherung reingedrückt, Sicherung sprang von allein wieder raus.
Jetzt begann der sportliche Teil. In allen Zimmer alle Stecker aus den Steckdosen ziehen und dann die Hauptsicherung wieder reindrücken. Die Sicherung sprang sofort wieder heraus. Eiße, dachte ich ganz leise.
Dann die nächste Idee. Alle Sicherungen in Sicherungskasten ausgeschaltet und dann die Hauptsicherung an. Die Hauptsicherung blieb drin. Dann der Reihe nach alle Sicherungen eingeschaltet, langsam und immer mit der Kontrolle in den einzelnen Zimmern.
Bei Sicherung vier sprang die Hauptsicherung wieder heraus. Klasse, das Problem war auf ein Zimmer eingekreist. Der Stromkreis von Sicherung vier war mit „Kind 1“ beschrieben. Nochmals Klasse, aber welches Zimmer ist „Kind 1“?
Kind 1 war nicht das Zimmer einer meiner Sekretärinnen, Kind 1 war der Stromkreis für die Küche. Mittlerweile waren zwei Stunden Fehlerforschung vergangen. Alle Stecker in allen Steckdosen der übrigen Zimmer gesteckt und dann ging die Fehlersuche in Kind 1 vulgo Küche weiter.
Selbstverständlich lief in der Zeit kein einziges Gerät, denn der Kurzschluss bewirkte das herausknallen der Hauptsicherung.
Die Kurzschlusssuche in der Küche war ein pures Stück Verzweiflung. Alle Stecker waren herausgezogen, Sicherung vier eingeschaltet, Hauptsicherung flog heraus. In einem Anflug von Vandalismus zog meine Annisekretärin heftig an einem Kabel, der Kühlschrank und Gefrierschrank versorgte. Doch was war das? Der Kabel rutschte aus seinem Versteck und führte nicht zu den Gefrierdingern sondern in die entgegengesetzte Richtung, zur Dunstabzugshaube.
Eiße! Siedend heiß erwachten brodelten längst begraben geglaubte Gespenster aus der Vergangenheit hervor. In den Wirren des damaligen Umzugs gab es bei der Kücheninstallation mit den Kühlgeräten Schwierigkeiten. Eine Steckdose für zwei Geräte war ein wenig zu wenig.
Wie baut man einen Einbaugefrierschrank aus? Im Smartphone gibt YouTube Auskunft: Diese Schraube entfernen, jene auch und auch diese. Klasse.
Gegen Mittag ist die Kühltruhe ausgebaut und … Was für eine Schweinerei. In Jahren ist zwischen Kühltruhe und Schrank eine widerlich schimmlige Schmoderschicht entstanden. Bäh! Also erst einmal alles säubern. Tiefenreinigung bis kein widerliches Schimmelpilzchen mehr zu sehen ist.
Dann den Verteilerstecker gesucht. Gefunden im tiefsten Sumpf, der nun einmal hinter hermetisch abgeschlossenen Biotopen sprießt. Die Verteilerdose mit viel Mühen aus dem Dreck empor gezogen und mit spitzen Fingern die Stecker von Kühlschrank und Gefrierschrank gezogen.
Sicherung vier eingeschaltet! JUBEL! Die Hauptsicherung ist drin geblieben. Als nächstes Kabel und Verteilerdose, eine Achterdose – warum eigentlich nicht eine 10er Dose – gesäubert und trocken lassen. Dann der Härtetest: Gefrierschrankstecker in die Steckdose … Sicherung bleibt drin, der Gefrierschrank brummt freudig los. Kühlschrankstecker in die Steckdose gesteckt … Sicherung bleibt drin, der Kühlschrank brummt freudig los.
Und nu?
Wir sitzen jetzt ziemlich konsterniert und essen Pizza aus dem Gefrierschank. Warum, verdorri nochmal, ist heute Morgen ständig die Sicherung herausgeflogen? Warum passiert das jetzt nicht?
Wir sitzen schweigend am Mittagstisch und sinnieren, was für den jetzt nicht mehr vorhandenen Kurzschluss verantwortlich war.
Keine Ahnung. Alles ist wieder so, wie es heute Morgen war.